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TEIL 2
How: Wie kann man Geschäftsmodelle erfolgreicher entwickeln bzw. innovieren?
Teil 2
HOW?
„If you can show me the business case, it’s already too late.” - Bill Gates
Agil statt nach Plan
Erfolgversprechende Pläne à la strategisches McKinsey-Projekt, die man einfach umsetzt, mögen in der im Sinne von Wohland „blauen“, also komplizierten Welt funktionieren. In der von Unsicherheit und hoher Komplexität gekennzeichneten „roten“ Welt braucht es andere Mittel, um in Zukunft erfolgreich zu sein oder wenigstens relevant zu bleiben. Klassische Ansätze und Methoden aus der BWL machen keinen Sinn mehr, da sie zu sehr auf Annahmen basieren, ohne diese zu hinterfragen. Stattdessen heißt es, eher viele kleine Schüsse zu wagen und Ansätze schnell auf Basis von validiertem Wissen anpassen oder eben auch fallen lassen. „Fail Fast & Learn“ und „Inspect & Adapt“ sind hier die passenden Mantras. Dabei helfen die im Folgenden kurz beschriebenen Agilen Methoden, die in Kombination für eine erfolgreiche Geschäftsmodell-Innovation smart eingesetzt werden sollten.
Agilität bedeutet Effektivität
Agilität wird oft mit Geschwindigkeit und Effizienz assoziiert. Tatsächlich beschleunigt Agilität das Lernen in unsicheren und komplexen Umgebungen, nicht aber die Umsetzung von gut planbaren Aufgabenstellungen.
Dabei stellt der reine Fokus auf den Output, den viele Unternehmen suchen, indem sie Effizienz-Weltmeister sein möchten, in Zeiten von VUCA & Co. ein hohes unternehmerisches Risiko dar.
Wer nach einem Big-Bang-Ansatz arbeitet, will sein Produkt bzw. seinen Service erstmal zu 100% fertigstellen, bevor es an den Kunden ausgeliefert wird. Das kann dazu führen, dass Kunden das Produkt bzw. den Service nicht mehr brauchen (z.B. weil es vollkommen am Kunden vorbei entwickelt wurde oder weil während der langen Entwicklungszeit ein Konkurrent eine bessere Variante herausgebracht hat) und dabei das Unternehmen zu viel Zeit und Geld in die Entwicklung investiert hat.
Es kann sogar sein, dass der Markt für das Produkt gar nicht mehr vorhanden ist, weil sich Umstände und Bedürfnisse geändert haben.
Zusammengefasst: Es besteht das Risiko, dass Unternehmen viele Ressourcen über einen langen Zeitraum hinweg an eine starre Idee binden, das Produkt jedoch anschließend gar nicht gekauft wird.
Dieses Bild von Crisp bzw. Henrik Kniberg (siehe Making sense of MVPs) veranschaulicht sehr schön, worum es bei Agilität im Kern wirklich geht: In schneller Abfolge werden auslieferbare Zwischenprodukte erstellt, und die Erkenntnisse aus der Nutzung (Feedback) bestimmen dann die nächsten Entwicklungsschritte. Im Bild der unteren Abfolge entsteht ein Cabrio und nicht wie in der oberen Sequenz eine Limousine, weil man während des Prozesses gelernt hat, dass der Kunde frische Luft liebt. Agilität beschleunigt also das Lernen, nicht die Abarbeitung von Plänen!
"There is surely nothing quite so useless as doing with great efficiency what should not be done at all." - Peter F. Drucker
Agilität zielt auf Effektivität (Outcomes) und nicht auf Effizienz (Optimierung von Input zu Output). Insofern war Drucker schon „Agilist" der ersten Stunde. Es geht darum, in einer unsicheren und komplexen Umgebung (siehe Stacey Matrix) das Richtige zu tun (Peter F. Drucker: „It is fundamentally the confusion between effectiveness and efficiency that stands between doing the right things and doing things right.").
Drei Anforderungen an ein innovatives Geschäftsmodell
Es existieren drei Anforderungen, deren Geltung für ein konkretes Geschäftsmodell festzustellen ist, um den gemeinsamen Sweet Spot „Innovation“ bzw. „Innovatives Geschäftsmodell“ zu identifizieren: Wünschbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit. Beim Validieren dieser Anforderungen helfen Methoden und Werkzeuge aus der agilen und nutzerzentrierten Welt.
Wünschbar?
Bevor es an die Konstruktion der „richtigen“ Lösung für den Kunden geht, muss zunächst das Problem „richtig" verstanden werden. Das ist mit Wünschbarkeit gemeint. Die Fragestellung nach der Wünschbarkeit lässt sich gut mit dem Methodenbaukasten Design Thinking untersuchen. Die Methode wurde von Stanford Professor Larry Leifer, Initiator der Innovationsagentur IDEO David Kelley, und von dem Informatiker Terry Winograd entwickelt (beide hoben später die d.school an der Stanford University aus der Taufe). Unterstützt wurden sie hierbei durch den SAP-Gründer Hasso Plattner, der das Potenzial der Methode erkannte. Im Jahr 2007 stiftete er die HPI School of Design Thinking in Potsdam.
Was ist nun Design Thinking? Eine kundenzentrierte und iterative Methode für die Lösung von komplexen Problemen und die Entwicklung neuer Ideen. Dieser kreative Ansatz startet mit einem Blick auf den Endnutzer und arbeitet sich dann Schritt für Schritt zur Lösung zurück, statt wie herkömmlich mit der Lösung zu beginnen. Essentiell ist also, zunächst den Endnutzer, seine Erfahrungen, seine Bedürfnisse und seine Perspektive auf seine Probleme gründlich zu verstehen: Was sind seine „Pains & Gains"? Wie geht der Nutzer aktuell mit Problemen um? Wie würde er eine bestimmte prototypisierte Lösung nutzen?
Wirtschaftlich?
Ein weiteres Ziel eines Geschäftsmodells ist naturgemäß dessen Wirtschaftlichkeit. Um sich danach auszurichten, bietet sich als Methode der Baukasten aus dem Bereich Business Model Generation an. Die populärsten Methoden und Werkzeuge kommen von den Anbietern:
Strategyzer
Business Model Innovation Lab (ein Spin-Off der Universität St. Gallen)
Board of Innovation
Das am meisten verbreitete Tool ist der Business Model Canvas von den Wirtschaftsinformatikern Dr. Osterwalder und Prof. Pigneur. Es kreist um folgende Fragestellung: „Wie generieren wir Wert gegenüber dem Kunden, aber auch für unser Unternehmen“. Den erweiterten Werkzeugkasten aus dem Bereich Business Model Generation findest du in TEIL 3: „WHAT?“
Machbar?
Unter Machbarkeit ist zu verstehen, dass ein Geschäftsmodell auf dieses Ziel hin immer weiter iteriert wird. Für diesen Zweck ist Lean Startup eine ausgezeichnete Methode. Dieser Ansatz ist insbesondere Steve Blank und seinem Studenten Eric Ries zu verdanken. Nachdem Ries das Konzept bereits ausführlich in unterschiedlichen Medien diskutierte, veröffentlichte er 2012 sein Buch „The Lean Startup“ und verhalf der Methode so zu internationalem Durchbruch.
Grundlage des Vorgehensmodells ist der sogenannte Build - Measure - Learn -Kreislauf. Der Kern der Lean-Startup-Methode ist eine kontinuierliche Feedbackschleife, in der Ideen in Form eines MVPs (Minimum Viable Product bzw. Minimal überlebensfähiges Produkt)
zügig umgesetzt (Build - Bauen),
Feedback und Daten gesammelt (Measure - Messen) und
ausgewertet (Learn - Lernen) werden.
Auf Basis des Gelernten werden Annahmen validiert, verworfen oder angepasst und die Schleife beginnt von neuem. Ziel ist es, die Zykluszeit zu minimieren, um möglichst wenig Zeit und Aufwand auf falsche Annahmen zu verwenden.
Die Lean-Methode hat drei Schlüsselprinzipien:
Anstatt monatelang zu planen und zu recherchieren, akzeptieren Startups, dass alles, was sie am ersten Tag wissen, eine Reihe von ungetesteten Hypothesen ist. Anstatt also einen komplizierten Businessplan zu schreiben, fassen die Gründer ihre Hypothesen zusammen.
Weiter verwenden Lean-Start-ups einen „Get out of the building"-Ansatz, der Customer Development genannt wird, um ihre Hypothesen zu testen. Sie verlassen wortwörtlich das Unternehmensgelände und bitten potenzielle Nutzer, Käufer und Partner um Feedback zu allen Elementen des Geschäftsmodells (einschließlich Produktmerkmale, Preisgestaltung, Vertriebskanälen, etc.). Sie stellen in kürzester Zeit minimale überlebensfähige Produkte (MVP) her und holen zügig Kundenfeedback ein. Dann nutzen sie den Input der Kunden, um ihre Annahmen gegebenenfalls zu revidieren, und beginnen den Zyklus von neuem: Sie testen neu gestaltete Angebote und nehmen weitere kleine Anpassungen (Iterationen) oder substanziellere Anpassungen (Pivots) an Ideen, die vorher nicht funktionierten, vor.
Darüberhinaus nutzen schlanke Start-ups agile Methoden wie z.B. Scrum, das seinen Ursprung in der Softwarebranche hat. Agiles Vorgehen geht hier Hand in Hand mit dem Customer Development . Im Gegensatz zu typischen jahrelangen Produktentwicklungszyklen, die die Kenntnis der Kundenprobleme und Produktbedürfnisse voraussetzen, eliminiert die agile Entwicklung andernfalls verschwendete Zeit und Ressourcen, indem das Produkt iterativ und inkrementell entwickelt wird. Es geht also darum, wie Startups sogenannte MVPs erstellen und testen.
Steuerung und Umsetzung mit Kanban, Scrum & Co.
Zur Steuerung und Umsetzung des Sweet Spots aus der agilen Geschäftsmodellentwicklung eignen sich die Methoden aus dem agilen Projektmanagement wie Kanban und das bereits erwähnte Scrum. Beide Methoden verfolgen den Ansatz „Inspect & Adapt“, also Beobachtung und Anpassung. Darüberhinaus zeichnen sie sich wie folgt aus:
Arbeitspakete werden sichtbar gemacht.
Feedback Loops werden etabliert.
Es wird in kurzen Entwicklungsschritten („Timeboxing“) gedacht.
Letztendlich lässt sich auf diese Weise (und mittels Design Thinking, Business Model Generation und Lean Startup) immer wieder auf das Gelernte reagieren und iterieren – selbst in der heutigen VUCA-Welt und in Zeiten der Unsicherheit. Diese Umsetzungsmethoden sind ideal mit dem laufenden Iterieren und Pivotieren vereinbar.
Ergänzend empfehle ich den Einsatz von OKR, das insbesondere bei Google zu Berühmtheit gelangte. Mit dem OKR-Modell gelingt es einerseits, die Brücke zwischen langfristigen Zielen (Mission, Vision) und dem operativen Doing (Reagieren auf die VUCA-Welt mit agilen Methoden) zu schlagen. Andererseits werden Mitarbeiter selbstverpflichtend eingebunden.
Das ideale Zusammenspiel der Methoden
Das Zusammenspiel der Methoden hat das weltweit führende Marktforschungsunternehmen Gartner wie folgt visualisiert:
Die oben skizzierten drei Methoden (Design Thinking, Lean Startup, Agile) möchte ich wie folgt in den Kontext bringen:
Entdecken mittels Design Thinking: Den Kunden und das Problem verstehen und dabei den „User-Problem Fit" validieren.
Validieren mittels Lean Startup: Lösungen testen und den „Problem-Solution Fit” validieren.
Ausbauen und skalieren mittels Scrum, Kanban & Co.: Die Lösung ausbauen, um den „Product-Market Fit“ zu erreichen.
Über den gesamten Prozess hinweg sollte dabei immer der Business Model Canvas zum Einsatz kommen. Ergänzt mit weiteren Werkzeugen auf die ich in Teil 3 meines Blog Beitrages näher eingehen werde.
Agile Organisation
Zur Skalierung von innovativen Geschäftsmodellen sind ganz neue Organisationsmodelle zu verwenden, die es überhaupt erst ermöglichen, dass Unternehmen in hoher Geschwindigkeit wachsen. Hier können erfolgreiche Organisationen zum Vorbild genommen werden. Gerne wird z.B. Spotify als Referenz herangezogen. Das rasante Wachstum von Spotify war ein Grund dafür, dass viele Organisationen wie z.B. die ING Bank das Organisationsmodell von Spotify kopiert und sich zu eigen gemacht haben. Darüber hinaus gibt es weitere Frameworks, die es ermöglichen, agile Teams zu skalieren (z.B. SAFe, Nexus).
Teams, Kultur und Mindset
Jetzt sind wir schon bei einem sehr wichtigen Themengebiet, damit alles oben Genannte überhaupt zum Erfolg führen kann: Teams, Kultur und Mindset. Die oben angesprochenen Tools sind zwar notwendig, um in der Zukunft relevante Geschäftsmodelle zum Vorschein zu bringen, aber ohne die richtigen Teams (am besten selbstorganisiert, klein, mit hoher Entscheidungskraft, heterogen, in T-Shape), ohne eine im Unternehmen fest verankerte Startup-Kultur und ohne entsprechenden Growth Mindset nutzen die Werkzeuge nur sehr begrenzt.
Agile Change
"Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel." - Paul Watzlawick
Eine Agile Organisation mit der gewünschten Kultur macht Veränderungsprozesse (neudeutsch: Change) notwendig, damit Geschäftsmodelle agil innoviert werden können.
Klassisches Change Management hat Veränderung zum Ziel, ist aber eingebettet in einen Kontext, in dem Stabilität und Vorhersagbarkeit übergeordnete Parameter sind. Das heißt, es gibt einen noch weitestgehend stabilen Ausgangszustand und einen gewünschten, stabilen Zielzustand. Dabei ist es dann die Aufgabe des klassischen Change Managements, die Phase der Unruhe (oder Chaos) zwischen diesen beiden stabilen Zuständen so kurz wie möglich zu halten.
Leider sind die Prinzipien des klassischen Change Managements für die Rahmenbedingungen der VUCA-Welt (wenig Stabilität, Planbarkeit, etc.) nicht mehr geeignet. Denn wenn im Extremfall Veränderungsinitiativen nur am Anfang gut vorbereitet und dann planmäßig umgesetzt werden, ohne zwischendurch den Kurs zu reflektieren und zu korrigieren, ist ein Scheitern unvermeidbar.
In der Agilen Transformation ist eine permanente Stabilität explizit nicht vorgesehen. Sie wird ersetzt durch einen Zustand des permanenten Überprüfens, Experimentierens und Ausprobierens. Im Scrum nennt man das „Inspect & Adapt".
Auf den stabilen Ausgangszustand folgt also nicht eine kurze Phase der Unruhe und dann ein stabiler Zielzustand. Stattdessen wird ein permanenter Anpassungsprozess zum neuen Normalzustand („Change ist die neue Konstante").
In Bezug auf einen permanenten Anpassungsprozess helfen wiederum die Tools aus den schon genannten Methoden Design Thinking, Lean Startup (inkl. Business Model Generation), Scrum, Kanban und OKR. In allen Methoden gibt es Prozesse (z.B. Double Diamond im Design Thinking), Werkzeuge (z.B. Canvasse) und Praktiken (z.B. Retrospektiven), die beim „Agile Change" unterstützen.
Change-Guru John Kotter will dazu über die klassische Organisation ein „zweites Betriebssystem“ legen (Buch: „Accelerate“). So sollen Synergien entstehen, die die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens fördern.
Es gibt also genügend gute Ideen, WIE Unternehmen an das Thema Geschäftsmodell-Entwicklung agiler und innovativer herangehen können. Nun stellt sich die Frage: WAS sollte genau getan werden, um konkrete Ergebnisse (Outcomes) zu erzielen? Wie gesagt: Es ist keine Checkliste, die befolgt und abgehakt werden kann... Aber mehr dazu im Teil 3 (WHAT) meines Beitrages, den ich in den kommenden Tagen veröffentlichen werde.
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